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DER WAHN DES FAIR-VALUE: DIE GEFAHREN EINES AUF DIE BEWERTUNG FIXIERTEN PORTFOLIOAUFBAUS

ARCHIVIERT - 08.01.2015

Franz Weis

CIO - PORTFOLIOMANAGER - MANAGING DIRECTOR

Mal eben ein Schnäppchen machen – wer träumt nicht davon? Es muss ein Urinstinkt des Menschen sein: Ganz gleich, ob wir an einem Laden mit dem Schild „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ vorbeikommen, Angebote auf eBay aufspüren oder in den Sommerschlussverkauf gehen – der Wechsel in den „Jagdmodus“ erfolgt in Sekundenschnelle. Der Blick wird fokussiert, der Puls steigt, wir beeilen uns, damit uns keiner zuvorkommt, und kurbeln dabei die Wirtschaft an.

Bei den meisten Gütern dürfte dieser Ansatz funktionieren. Wer jedoch für den Kauf einer Hermès-Krawatte oder einer Rolex-Uhr das nächste Sonderangebot abwarten möchte, sollte das Objekt der Begierde nicht allzu schnell benötigen. Denn gewisse Dinge gibt es kaum zum Schnäppchenpreis. In diesen Fällen ist das Preisetikett als Hauptkaufkriterium sinnlos. Kunden des KaDeWe, der Galeries Lafayette oder von Harrods kommen kaum, weil sie die billigste Handtasche suchen – in der Regel haben sie sich bereits vorher auf eine bestimmte Marke festgelegt. Wer würde schon bei der Suche nach einem Gebrauchtwagen die „Auto Zeitung“ oder ähnliche Zeitschriften aufschlagen und einfach nur nach dem billigsten suchen? Auf der Schnäppchenjagd im Winter- oder Sommerschlussverkauf geben Verbraucher letztendlich vielleicht sogar mehr Geld aus, als sie es bei einem überlegten, gezielten Kauf getan hätten. Die ausschließliche Betrachtung des Preises eines Produktes ist sehr kurzsichtig. Unternehmen berücksichtigen bei Investitionen die Gesamtbetriebskosten (sogenannte total cost of ownership – TCO) und den Wiederverkaufswert. Dies lässt sich auch auf das Privatleben übertragen: Ein Porsche, der in der Anschaffung sicherlich teurer ist als ein billiges, funktionales Auto, kann später wieder zu einem angemessenen Preis, vielleicht sogar zu einem Liebhaberpreis verkauft werden. Sie müssen niemanden suchen, der wenigstens den Schrottwert zahlt.

Die Schnäppchenjagd ist nicht nur ein typisches Verhalten der Verbraucher – auch an den Finanzmärkten gilt sie häufig als Best Practice: Jeder versucht, cleverer als die übrigen Akteure zu sein, indem er Wertpapiere unter dem fairen Wert und billiger kauft als die anderen Marktteilnehmer. Diese starke Fokussierung auf den Preis geht jedoch oft zulasten anderer Aspekte wie Qualität oder Risiko. Zudem kann sie durchaus unerfreuliche Folgen haben, beispielsweise Gewinnwarnungen oder eine Finanzkrise wie 2008/2009. Dennoch beginnen Gespräche über die Attraktivität bestimmter Aktien vielmals mit der Bewertung – wenn sie sich nicht sogar darauf beschränken. 

Die Bewertung ist wichtig, darf jedoch nicht als einziger Faktor berücksichtigt werden

Natürlich spielt die Bewertung bei der Aktienauswahl und beim Portfolioaufbau eine wichtige Rolle. Aber sie darf nicht der einzige berücksichtigte Faktor bleiben. Weit verbreitete Bewertungsmethoden wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) haben den Vorteil, dass sie einfach sind: Sowohl der Aktienkurs als auch die Konsensschätzungen zum Gewinn stehen ohne Weiteres zur Verfügung. Bei Comgest glauben wir hingegen, dass die Bewertung nicht einmal der wichtigste von mehreren Faktoren sein sollte. Besonders für Anleger mit längerfristigem Anlagehorizont spielen die Gewinne mit jedem zusätzlichen Monat Haltedauer eine immer wichtigere Rolle. Denn schlussendlich kauft der Anleger einen künftigen Ertragsstrom (Dividenden), und die Höhe sowie das Wachstum der künftigen Dividenden hängen stark von der zugrunde liegenden Entwicklung der Unternehmensgewinne ab1

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Dieses Dokument wurde ursprünglich 2015 verfasst und 2020 aktualisiert. Die geäußerten Ansichten sind nur zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gültig und spiegeln möglicherweise nicht den aktuellen Stand der Dinge wider.


In diesem Dokument wird der Einfachheit halber das Gewinnwachstum als Schlüsselgröße für die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens genutzt. Eine ausführlichere Betrachtung der Aspekte von „Qualitätswachstum“ (RoCE, Generierung von freiem Cashflow) enthalten die Comgest White Papers „Der Qualitätswachstumsansatz von Comgest – eine Analyse“ (April 2015) sowie „Cash Is King and There’s No Heir to the Throne“ (Januar 2015, verfügbar auf Anfrage, jedoch nur in englischer Sprache).